Digitalarchiv

Original-Artikel unter Neuigkeiten am 24. November 2013

Neue Publikation anlässlich des 150. Todestags von Franz Xaver Gruber

Michael Neureiter

"Franz Xaver Gruber - Zeichner und Maler, Organist und Komponist"

In der Reihe "Edition Stille Nacht Gesellschaft" ist zur Generalversammlung der Stille-Nacht-Gesellschaft, die 2013 in Wagrain stattfand, die Publikation "Franz Xaver Gruber - Zeichner und Maler, Organist und Komponist" erschienen. Der am 25. November 1787 - vor 226 Jahren - in Hochburg-Ach geborene Franz Xaver Gruber prägte in seinen Halleiner Jahren von 1835 bis 1863 das kulturelle und gesellschaftliche Leben der Kleinstadt wesentlich mit.

Die neue Publikation dokumentiert die Beiträge des Halleiner Gedenkabends am 7. Juni 2013, dem 150. Todestag Franz Xaver Grubers, mit der Präsentation des Zeichners und Malers durch Anna Holzner und dem Festvortrag über den Organisten und Komponisten, den Eva Neumayr gestaltete. Dazu kommen zahlreiche Abbildungen vor allem von Zeichnungen und Aquarellen Grubers und ein Bericht über das Halleiner "Stille-Nacht-Museum", das vor 20 Jahren am 18. Dezember 1993 eröffnet wurde. Das Cover zeigt eine Kohlezeichnung Grubers von Hans Baier, der auch 1936 das Portraitrelief Grubers über dem Eingang zum heutigen Stille-Nacht-Museum Hallein schuf.

Die illustrierte Publikation wurde von Michael Neureiter redigiert und erschien in Kooperation mit der Stadt Hallein/Kulturangelegenheiten, dem Keltenmuseum Hallein/Stille-Nacht-Museum Hallein und dem Kulturforum Hallein. Sie kann ab sofort bei der Stille-Nacht-Gesellschaft zum Preis von
5 Euro bestellt werden: info@stillenacht.at oder Tel. +43 660 2412 200.

Die Autorinnen der neuen Publikation über Franz Xaver Gruber, Eva Neumayr und Anna Holzner (v.l.) mit dem von Hans Baier geschaffenen Portrait Grubers (Kohlezeichnung)

Original-Artikel zu den erfolgten Umbaumaßnahmen im Stille Nacht Museum Hallein vor 5 Jahren unter Neuigkeiten am 9. Juni 2018

"Eindrucksvoller Auftakt zu "Stille Nacht Hallein"

Michael Neureiter

Neureiter: „Vorbildliche und fundierte Initiative zu 200 Jahre Stille Nacht!“

„Wichtiger Baustein für eine Stille-Nacht-Kultur mit Tiefgang!“

„Das von der Stadt Hallein und dem Keltenmuseum/Stille Nacht Museum Hallein entwickelte Programm für 2018 ist eine vorbildliche und fundierte Initiative, sie ist ein wichtiger Baustein für eine Stille-Nacht-Kultur mit Tiefgang!“ betonte Michael Neureiter, Präsident der Stille Nacht Gesellschaft, beim „Tag der offenen Tür“ im renovierten Gruber-Haus. Neureiter wuchs selbst im Mesnerhaus auf, in dem Franz Xaver Gruber mit seiner Familie 28 Jahre lebte: „Ich habe es nur auf 24 Jahre gebracht,“ meinte Neureiter.

Bei einer Gedenkveranstaltung am Gruber-Grab wurde des 155. Todestags des Komponisten gedacht, der am 7. Juni 1863 verstarb. Die Stadtgemeinde Hallein und die Stille Nacht Gesellschaft ehrten Gruber mit einer Kranzniederlegung. Benjamin Huber trug einen Brief aus dem Stille Nacht Archiv Hallein vor, in dem Felix Gruber, ein Sohn des Komponisten, seinem Freund Josef Peterlechner über das Ableben und die Beerdigung seines Vaters berichtet.

Das frisch renovierte Gruber-Haus wurde beim „Tag der offenen Tür“ am 7. Juni der interessierten Öffentlichkeit präsentiert. (Foto Adi Aschauer)

Original-Artikel unter Neuigkeiten am 6. Dezember 2018

"Aus der Armut geboren, Vermächtnis für heute"

Michael Neureiter

Ausstellung zum Stille-Nacht-Jahr an der Theologischen Fakultät eröffnet

Die soziale Botschaft des Stille-Nacht-Lieds und seiner Autoren steht im Mittelpunkt der Ausstellung „Aus der Armut geboren. Vermächtnis für heute“, die im Foyer der Theologischen Fakultät der Universität Salzburg eröffnet wurde. Helmut P. Gaisbauer und Elisabeth Kapferer vom Zentrum für Ethik und Armutsforschung haben sie gestaltet.

„Beide Autoren stammten aus ärmlichen Verhältnissen, beiden eröffnete sich dank der Achtsamkeit und Unterstützung von Lehrern und Mentoren eine bessere Zukunft,“ betonen Kapferer und Gaisbauer. Die Ausstellung verweist auf die sozialen Gegebenheiten vor 200 Jahren und stellt aktuelle Fakten und Initiativen vor.

Dekan Alois Halbmayr von der Theologischen Fakultät eröffnete die Ausstellung, die von Andreas Weiß angeregt und im Sommer 2018 im Leopold-Kohr-Saal des Stille Nacht Museums Oberndorf gezeigt wurde. Michael Neureiter, der Präsident der Stille Nacht Gesellschaft, freut sich über den „wichtigen inhaltlichen Akzent“, den die Ausstellung im Stille-Nacht-Jubiläumsjahr einbringe.

Im Bild die Eröffnung im Foyer der Alten Universität, in der Joseph Mohr von 1811 bis 1814 studierte: v.l. Michael Neureiter, Helmut P. Gaisbauer, Elisabeth Kapferer und Alois Halbmayr (Foto Andreas Weiß)

Original-Artikel unter Neuigkeiten am 12. Dezember 2012

Taufe im Dom, wo Mohr später als Fastenprediger zum Einsatz kam

Michael Neureiter

Vor - mittlerweile - genau 230 Jahren, am 11. Dezember 1792, wurde um 12.00 in der Salzburger Dompfarre Joseph Mohr als uneheliches Kind des Musketiers Franz Mohr und der Strickerin Anna Schoiber geboren. Um 16.00 wurde er im Salzburger Dom von Johann Wimbacher auf den Namen Joseph Franz getauft, Taufpatin war Franziska Zach "anstatt des Joseph Wohlmuth, Scharfrichters", wie der Eintrag im Taufbuch sagt.

MMag. Michael Neureiter, Präsident der Stille Nacht Gesellschaft von 2007 bis 2019, verwies in seinem Artikel darauf, dass Joseph Mohr im März 1819, wenige Monate nachdem das Lied "Stille Nacht! Heilige Nacht!" am Heiligen Abend 1818 in Oberndorf zum ersten Mal gesungen wurde, als Fastenprediger im Dom zum Einsatz kam: "Wenn der 'Koadjutor zu Österreichisch-Laufen' neben prominenten Fastenpredigern berufen wurde, kann er bei der Obrigkeit nicht so schlecht angeschrieben gewesen sein, wie aufgrund der Beschwerden seines Oberndorfer Chefs Georg Heinrich Nöstler gerne angenommen und geschrieben wird!"

Taufbecken im Dom zu Salzburg (c) SalzburgerLand Tourismus, Kathrin Gollackner

Appell der Stille-Nacht-Gesellschaft zum Weihnachtsfest

"Alle sechs Strophen singen und leben - als Geschenk und als Botschaft!"

"Es geht um das ganze Lied: um die Botschaft der Menschwerdung, um das Element der Festkultur, um das Welt-Friedenslied!"

"Das Welt-Friedenslied 'Stille Nacht! Heilige Nacht!' ist ein Geschenk und eine Botschaft aus dem Salzburger Land. Es hat sechs Strophen, wird aber meist auf drei Strophen reduziert. Wir laden dazu ein, es ganz anzunehmen, weil mit den viel zu wenig bekannten drei Strophen vieles verloren geht!" appelliert der Präsident der Stille-Nacht-Gesellschaft, Michael Neureiter, zum bevorstehenden Weihnachtsfest an alle, die zur Verbreitung des Lieds und aller seiner sechs Strophen beitragen können.

In ihren Handschriften führten Joseph Mohr und Franz Xaver Gruber immer alle sechs Strophen an, ein Autograph nur fünf. Erst mit der Verbreitung des Lieds in die ganze Welt im 19. Jahrhundert wurde es dann verkürzt, meist wurden dann die erste und die zweite Strophe mit der sechsten abgerundet, die dritte, vierte und fünfte Strophe gerieten fast in Vergessenheit. "Und auch diese Strophen haben es in sich - das Heil der Welt, die Völker der Welt, die Schonung aller Welt!" meint Neureiter.

Die Stille-Nacht-Gesellschaft lädt insbesondere auch die Medien dazu ein, das ganze Lied und seine ganze Botschaft zu verbreiten, betont Neureiter: "'Stille Nacht! Heilige Nacht!' ist im neuen 'Gotteslob' für ganz Österreich unter der Nummer 803 mit allen sechs Strophen und in fünf Sprachen enthalten, das Gotteslob ist seit Adventbeginn 2013 in Verwendung! Wir laden gerade in einer für diese Welt besonders kritischen Zeit ein, das Völkerverbindende des Welt-Friedenslieds zu nützen - zur Anregung der persönlichen Besinnung und als Element einer weltweiten Festkultur!"

(Text MMag. Michael Neureiter, Präsident der Stille Nacht Gesellschaft von 2007 bis 2019)


Das Autograph IV von Franz Xaver Gruber. Es befindet sich im Kelntenmuseum Hallein, Stille-Nacht-Archiv.

Alois Brandstetter: Stille Nacht! Heilige Nacht! Gemüt, Emotionen und Sentimentalität

Festvortrag zum 40jährigen Bestehen der Stille-Nacht-Gesellschaft am 10. Mai 2012, Salzburg, Erzabtei St. Peter

Stille Nacht! Heilige Nacht!
Gemüt, Emotionen und Sentimentalität

Heinrich Böll hat 1952 eine Erzählung, eine Satire geschrieben, die bald auch als Hörspiel gesendet wurde, mit dem Titel "Nicht nur zur Weihnachtszeit". Sie handelt von einer Gemütskranken, der Tante Milla, die sich nicht von ihrem Christbaum trennen kann und beim Abschmücken hysterische Anfälle bekommt. Der Gatte, Onkel Franz, findet den Königsweg der Heilung, indem er sich eine "Tannenbaumtherapie" ausdenkt, die darauf hinausläuft, daß zwei Jahre lang jeden Abend Heiliger Abend gefeiert wird. Leitmotivisch erklingt darum immer das Lied vom Tannenbaum mit seinen "treuen Blättern", der nicht nur zur Sommerzeit sondern auch zur Weihnachtszeit, eigentlich ja Winterzeit, ("nein auch im Winter, wenn es schneit"), grünt...

Alles hat seine Stunde,

heißt es bekanntlich im Buch Kohelet im Alten Testament, der Bibel der Juden: "Für jedes Geschehen unter dem Himmel gibt es eine bestimmte Zeit...eine Zeit zum Weinen und eine Zeit zum Lachen, eine Zeit für die Klage und eine Zeit für den Tanz...eine Zeit zum Schweigen und eine Zeit zum Reden."
Befindet sich Bölls Tante Milla mit ihrem Insistieren auf dem Prolongieren der einen Stimmung, die sich im Lied vom Tannenbaum ausdrückt, im Widerspruch und Gegensatz zu Kohelets Mahnung, die Zeit zu achten, die Jahreszeit, im Winter Winterlieder zu singen und Winterkleidung zu tragen und im Sommer Sommerlieder zu singen und Sommerkleider zu tragen, also immer die entsprechenden, die "anderen Saiten" aufzuziehen? Obwohl die Instrumente natürlich jederzeit alles hergeben, was man auf ihnen spielt, Dur oder Moll. Wie unpassend wäre es, das populärste Weihnachtslied, das sozusagen intimste, das heißt innerlichste Weihnachtslied, eben "Stille Nacht" zur Unzeit, außerhalb der Saison, zu singen. Stille Nacht-Tag und Nacht, tagtäglich? Das zu bewirken und zu bewerkstelligen ist ja auch sicher nicht die Absicht und der Vereinszweck einer "Stille Nacht" - Gesellschaft?

Kairos haben die Griechen den rechten Augenblick genannt..."Rechtes Maß, rechter Ort, günstige Zeit, Vorteil und Nutzen" bietet Wilhelm Gemoll in seinem "Schul- und Handwörterbuch" als Übersetzungen an. "Früher", "seinerzeit" "zu meiner Zeit" hat man, habe ich, um konkret und authentisch zu werden, erwartungsfroh dem Advent oder auch der Fastenzeit oder auch Ostern entgegengesehen und mich innerlich gefreut, wenn ich am 1. Adventsonntag und in der ersten Rorate "Tauet Himmel den Gerechten" mitsingen durfte, "O Haupt voll Blut und Wunden" am 1. Fastensonntag und schließlich, alles übertreffend "Der Heiland ist erstanden" in der Auferstehungsfeier am Karsamstag...

Heute ist die akustische Umwelt durch jede Musik zu jeder Zeit in den Kaufhäusern übel zugerichtet und kontaminiert. Der Geschmack aber verdorben. Ich bitte für meinen Kultur-, meinen Alterspessimismus um Nachsicht!...Mindestens nachdenklich, ja schon traurig macht mich auch jährlich, daß man die Passionslieder, O Haupt voll Blut und Wunden, Deinem Heiland, deinem Lehrer, Tauet Himmel den Gerechten und Der Heiland ist erstanden wie "zu Fleiß" in Kärnten nach jeweils einer anderen Melodie singt, als ich sie von meiner oberösterreichischen Kindheit her kenne und gewohnt bin. Da soll einer heimisch werden!

Wellness purum et durum

Der Mensch neigt generell dazu, und es ist sozusagen eine anthropologische Konstante, daß er das Angenehme, das Wohltuende, das Gemüthafte und "Gemütliche" verlängern und perpetuieren will. Wellness purum et durum... Die Climax als Dauerzustand, der Orgasmus als multiples, als Dauererlebnis. Die Natur spielt es aber leider nicht... Der Höhepunkt heißt mit gutem Recht auch Crisis. Die Natur kann man vermutlich auch mit Viagra nicht dauerhaft überlisten. Die Tristitia post coitum ist ein factum naturale... Wohl gilt, mit Nietzsche gesprochen: "Denn alle Lust will Ewigkeit, will tiefe, tiefe Ewigkeit"... Damit operiert und darauf spekuliert ja auch die Wirtschaft und die Werbung, wenn sie schon Anfang November den Advent beginnen, und in den Warenhäusern viel zu früh, also zur Unzeit Weihnachtsmusik erklingen läßt.

Und besonders pervers, das heißt ja eigentlich "verdreht", ist der Osterhase am 1. Fastensonntag... Ein Irrläufer! Ein Verwirrter! Dagegen zu wettern hätte keinen Sinn. Ich habe einmal einen sogenannten geharnischten Leserbrief gegen jene Brauerei geschrieben, die mit Georg Friedrich Händels "Alleluja" aus dem "Messias" als Jubelruf ihr Bier bewirbt... Es hat nicht geholfen.

So wie die große christliche Erziehungswissenschaftlerin Christa Meves mit ihrem sexualpädagogischen Aufruf an die Jugend, die Weihnachtsgeschenke, sprich Sexualität, nicht schon im Advent auszupacken, auch nur begrenzten Erfolg gehabt haben wird... Der Geschlechtstrieb ist stärker als der Papst, hat der verstorbene Christian Wallner, ein Freund aus alten Salzburger Zeiten, einmal geschrieben.

Niedagewesenes bieten?

Im Christian Brandstätter Verlag ist einmal ein Photoband mit Bildern erschienen, auf denen man vor berühmten Gebäuden und Denkmälern Wiens immer eine junge nackte Frau sitzen oder stehen, sich räkeln gesehen hat. Vor dem Christbaum, aber auch auf Gräbern, eine fleischliche und leibliche Nackte neben einem halbnackten Grabengel oder Genius aus Stein... Der Verleger und sein "Übertreibungskünstler" sind davon ausgegangen und haben sich gedacht und auch gesagt: Der Stephansdom ist schön und ein nacktes Mädchen ist schön, wie schön ist dann erst beides zusammen auf einem Bild. Dies ist nur ein kleines Beispiel für die Neigung und Versuchung, das Schöne oder als schön Empfundene zu kumulieren und zu synchronisieren, und dabei Grenzen zu ignorieren oder zu überschreiten.

Heute spricht man im englischen Neusprech gern von topen. Top heißt "Spitze, Ende", topen somit "auf die Spitze treiben", "überbieten". Dabei bleibt buchstäblich manches auf der Strecke und kommt unter die Räder. Es entstehen Kollateralschäden... Vielleicht auch manchmal ein Totalschaden... Der Übertreibungs- oder Überbietungstopos ist freilich schon eine alte, sozusagen ehrwürdige Forderung der alten Poetik, eine Institution. Die Sucht oder der vielleicht auch berechtigte Drang, etwas Neues, Originelles oder Unerhörtes, Niedagewesenes zu bieten, führt oft oder immer in unwegsames Gelände und manchmal sicher auch in den Sumpf der Verstiegenheit.

Früher war vieles besser,

heißt es bei Jürgen Becker im Buch "Ränder", denn früher mußte man nicht immer von "früher" reden... Früher, sage ich einmal, war Weihnachten, wenn "Stille Nacht!" erklang. Und es erklang nur zu Weihnachten. Und es war dieses Lied ein religiöses, ein Kirchenlied, freilich ein ganz besonderes, sozusagen konkurrenzloses. Diese Besonderheit fand in unserer Pichler Dorfkirche schon dadurch sozusagen "beredten" Ausdruck, daß die Melodie, also das Werk des Komponisten, des Arnsdorfer Volksschullehrers, Mesners und Organisten Franz Xaver Gruber von der Orgel ganz leise und zart während der Wandlung in der Mette gespielt wurde, wo sonst und das ganze Jahr über wirklich Stille und Andacht "angesagt" waren. Ich weiß nicht, ob dies auch andernorts der Brauch war oder einem Einfall unseres Pfarrers Ferdinand Hochedlinger zu verdanken war. Das Lied war aber dadurch nicht zu Hintergrundmusik degradiert oder profaniert, sondern im Gegenteil sozusagen "sakralisiert", dem Altarssakrament inhäriert. So wird oder wurde man auch daran erinnert, daß die Heilsgeschichte mit Weihnachten nicht abgeschlossen ist, sondern eigentlich erst beginnt, daß noch der Gründonnerstag mit dem Abendmahl und Ostern und die Auferstehung bevorstehen.

Dies alles hatte seinen "Sitz im Leben". Denn bei aller Ehrfurcht und Andacht und Frömmigkeit, Volksfrömmigkeit, wie es heißt, hatten auf die Mettenbesucher, die Bauern und vor allem die Dienstboten, die Knechte und Mägde der Bauern, ausgeschunden und übermüdet wie sie waren, diese leisen Töne eine erhebende und erbauliche, aber zugleich auch einschläfernde Wirkung. In der Feier der Übernatur forderte die Natur ihr Recht.

"Alles schläft"

heißt es schließlich gleich in der ersten Strophe des Liedtextes von Joseph Mohr, und mancher nahm diese Worte sozusagen wörtlich, sosehr er auch gegen die Müdigkeit ankämpfen wollte? Nicht selten hat auch einer plötzlich in die gefährliche Stille hinein geschnarcht...

Wie man in dem profunden Buch Urs Herzogs "Geistliche Wohlredenheit. Die katholische Barockpredigt", München 1991 lesen kann, war der sogenannte Predigt- oder Kirchenschlaf immer schon ein viel behandeltes Thema. Bekanntlich ist ja bereits in der Apostelgeschichte von einem Jüngling die Rede, der in einem Fenster sitzend einer langen Predigt des Apostels Paulus zuhört, einschläft und hinunterstürzt. Paulus selbst beruhigt die Menschen, nimmt den Jüngling in die Arme und sagt, es ist noch Leben in ihm. Ist es eine Totenerweckung?

In Predigtlehren der Barockzeit aber werden die Priester angehalten, mit den Zuhörern gnädig zu sein, vor allem wird empfohlen, den arbeitenden und ermüdeten Bauern anders und vor allem kürzer zu predigen als einem intellektuellen Publikum in der Stadt. Prokop von Templin zufolge sind auch Leichpredigten möglichst einzuschränken, sei es doch "ein verdrießlich Ding bei solchen Occasionen, wo ohne das alles gar langweilig zugehet, das Volck mit zu langen Predigen auffhalten zu wollen" (Herzog S.23)

Die Stille, die in der Kirche eine sakramentale Tiefe und einen spirituellen Ernst erhält, hat, recht verstanden, auch eine therapeutische und heilsame Wirkung. Man muß nicht nur, nein man darf still werden.

Natürlich hat auch die kirchliche Nachsicht und das Einfühlungsvermögen ihre Grenzen. "Ein Schlaff-Hauß machen auß der Kirch die jenigen, so in währendem Gottesdienste nicht allein schlaffen, sondern mit Fleiß in die Kirch gehen, nur allein, damit sie ein kühles und ruhiges Orth zum schlaffen finden, und nicht so bald möchten auffgemuntert werden" (Edmund Mannincor OSB, zitiert nach Herzog, S.23)

Den mutwilligen Kirchenschlaf

auf die Spitze getrieben hat vielleicht erst die Schwägerin des Sonnenkönigs, Liselotte von der Pfalz. Am 19. März des Jahres 1693 läßt sie brieflich die folgende Eröffnung abgehen: "Ich kann unmöglich predigen hören ohne zu schlafen und eine predig ist ein recht opium für mich. Ich hatte einmal hier einen starken husten und war drei nächte gewesen ohne ein aug zu zu tun, da fiel mir ein, daß ich als in der kirch schlaf, sobald ich predigen oder nonnen singen höre; fuhr deswegen in ein kloster, wo man predigen sollte; die nonnen fungen aber kaum zu singen an, da schlief ich ein und schlief die drei stund über, daß das office wehrte, welches mich ganz wieder erholte..." (Herzog S.23)

Es ist freilich im Barock oft von mehrstündigen Predigten die Rede und von eigenartigen und merkwürdigen Dingen, die sich in den Kirchen ereignen, daß Kinder spielen, Männer mehr auf das weibliche Publikum als die heilige Handlung achten, sogar mit Feldstechern und Fernrohren bewaffnet, oder Hunde in das Gotteshaus mitnehmen, die sich dort oft ungeniert benehmen und sogar "Hochzeit halten"... Manches, was Samuel Pepys, der mit seinem "Tagebuch aus dem London des 17. Jahrhunderts" (Reclam UB 9970) eine wichtige Quelle für dieses Kapitel "Sitz im Leben" ist, berichtet, würde heute nahezu als blasphemisch gelten. Manuel Vicent, ein spanischer Journalist und Schriftsteller, läßt in seinem Roman "Mein Name ist Kain", Salzburg 1991, ins Deutsche übersetzt vom verstorbenen "Austropopper" Georg Danzer, seinen Hund sogar kommunizieren... "Sitz im Leben?" oder eine der üblich gewordenen blasphemischen Provokationen?

Ein Lied von einer befremdlichen Alterität

Freunde der "Stille-Nacht-Gesellschaft", nicht diese Töne, sondern laßt uns andere anstimmen... Wenn ich auch ein wenig vom zwiespältigen Eindruck sprechen möchte, den das Lied textlich als hochsprachliches, spätromantisches Artefakt auf mich als Kind gemacht hat. Für ein oberösterreichisches Bauernkind, einsprachig mundartlich aufgewachsen, ist es schon von einer befremdlichen Alterität.

Allein das "schläft" in der ersten Strophe hat einen großen Abstand zum bairisch-österreichischen schlofd, mit dem unumgelauteten und verdumpften a (o). Aber auch wortschatzmäßig stellt es beträchtliche Anforderungen, man denke nur an das "traute" hochheilige Paar. Traut kennt der Mundartsprecher nur als Verbum, 3. Person Singular, Präsens, Indikativ, Aktiv: Der traut sich was... Aber traut ist ein hochliterarisches, freilich altes und ehrwürdiges Wort für "lieb", "zugetan"... Das "traute Paar" ist auch nicht eigentlich das "getraute" Paar... Traut in diesem Sinn ist uns umgangssprachlich nicht mehr vertraut...

Auch das hold hat ein Mundartsprecher kaum in seinem Repertoire. Ich habe einmal in einem Text meine "volksetymologischen" Mißverständnisse an Hand des Credos, der Sequenz "Von dannen er kommen wird..." dargestellt ("Vom Schnee der vergangenen Jahre"). Warum ausgerechnet von den Tannen und nicht von den Eichen oder Fichten... Auch das wacht hat mich befremdet. Weil es doch nichts mit dem mundartlichen wochten, der Totenwacht, zu tun haben konnte. Wochten aber bedeutet mundartlich "warten". Worauf wartet das hocheilige Paar?...

So könnte man fortfahren. Das wäre aber keine Mängelliste über philologische Defizite, sondern nur ein Hinweis darauf, daß sich der Textdichter, der Hilfspriester Joseph Mohr 1816 ganz im Sinne der Zeit und der romantischen Epoche an hochliterarischen Vorbildern der deutschen Romantik orientiert hat. Es ist außerdem die standardsprachliche, "hochsprachliche" Gestalt, die es leicht übersetzbar gemacht und so auch die weltweite Verbreitung ermöglicht hat. Silent night, holy night...

Dieser Welterfolg

gründet aber sicher mehr und vor allem in der Melodie, dem Werk des Lehrers Franz Xaver Gruber, als in den Versen Joseph Mohrs. Wäre es in Mundart geschrieben worden, hätte es vielleicht auch nur die regionale Bedeutung der Mundartgedichte des im 19. Jahrhundert dichtenden Franz Stelzhamers erreichen können, die freilich poetisch unvergleichlich, aber in ihrer Rezeption notwendigerweise "provinziell" restringiert sind. Nur die Oberösterreicher wissen, was sie am Piesenhamer haben, der ihre Landeshymne, die einzige Österreichs in Mundart, gedichtet hat. Die Melodie ist bekanntlich von Hans Schnopfhagen.

Ein mundartliches Weihnachtslied gibt es immerhin, das äußerst populär geworden ist, wenn es auch nicht gerade mit "Stille Nacht" oder "I am dreaming of a white Christmas" konkurrieren kann:

"Es wird scho glei dumpa",

obwohl es oft in einem Atemzug mit "Stille Nacht" und "Oh du fröhliche" genannt wird. Der Text zu diesem Lied, einer alten Tiroler Melodie, wie es heißt, stammt von Anton Reidinger, einem Pfarrer, 1839, also 21 Jahre nach dem "Stille Nacht"-Jahr 1818, in Krenglbach bei Wels geboren und 1912 in Obernberg am Inn gestorben. Um 1900 hat er den Text des Liedes geschrieben. Krenglbach ist eine Nachbargemeinde von Pichl bei Wels und, nebenbei gesagt, die Heimatgemeinde meiner Mutter, deren Vater, mein Großvater, in der Zwischenkriegszeit dort Bürgermeister war.

Die Krenglbacher haben sich übrigens in letzter Zeit unter der Ägide des 2005 leider verstorbenen Lehrers Rudolf Schrempf und Alfred Herrmüllers auf den "großen Sohn" der Gemeinde Anton Reidinger besonnen und verschiedene Aktivitäten gesetzt, unter anderem einen Art Lehr- und Gedenkpfad für den Dichter des "Es wird scho glei dumpa" eingerichtet und auch Publikationen initiiert. Die Linzer haben außerdem im Brucknerhaus eine jährliche repräsentative Adventveranstaltung, dem Salzburger Adventsingen abgeschaut, die unter dem Titel "Es wird scho glei dumpa" läuft.

Die erste Strophe dieses Liedes wirkt fast wie eine Art Paraphrase zu "Stille Nacht". Es ist auch eine herzinnige Antwort auf das "einsam wacht" des "Stille Nacht": "Drum kim i za Dir he, mein Heiland af d Wacht"? Im Vergleich mit dem unehelich geborenen Joseph Mohr, dem "Aushilfspriester", dem oft versetzten, war Anton Reidinger ein hochangesehener Pfarrer, ein "Pfarrherr", der wenigen größeren Pfarreien vorstand: ab 1876 Riedau, von 1893-1906 Eggerding, danach in Obernberg am Inn, wo er auf Grund seiner Verdienste zum Ehrenbürger ernannt wurde.

"Alte Tiroler Weise" wie man öfter hört, auch im Internet liest, stimmt übrigens nach Auskunft von Alfred Herrmüller, meinem "Geschwisterkind"..., nicht eigentlich. Hier sind Nachforschungen durch Herrmüller im Gang, die dieses Bild auch auf musikalischer Seite und den Satz betreffend zugunsten Reidingers korrigieren und zurechtrücken werden. Reidingers literarisches Hauptthema bei seinen Mundartgedichten war übrigens Weihnachten, er hat auch Verdienste um das Krippenspiel, insbesondere das sogenannte "Bad Ischler Krippenspiel". Msgr. Friedrich Pesendorfer, der Direktor des Katholischen Preßvereins, nennt Reidinger in seinem Buch "Das Domkapitel in Linz (Linz 1929)" den "Sänger der Weihnacht" (Ich beziehe mich hier auf einen Aufsatz von Herrmüller in "Oö.Volksliedwerk" Nr.3 , 2010). Soweit ich sehe, nennt Reidinger in seinen vielen Weihnachtsgedichten aber nirgends expressis verbis das "Stille Nacht" -Lied. Aus Achtung und Scheu vor der übermächtigen Konkurrenz? Kirchenhistorisch ist Linz Salzburg gegenüber natürlich ein Leichtgewicht. Man kann sich hier freilich auf Passau berufen...

Karl Heinrich Waggerl

Salzburg, Advent, Weihnachten, Stille Nacht... In dieser Assoziationskette taucht für mich persönlich unweigerlich der Name Karl Heinrich Waggerls auf, der sein Grab auf dem Wagrainer Friedhof in der Nähe des Grabes von Joseph Mohr gefunden hat, auf welchen Dichterkollegen er ja in mindestens einem Text eine Anspielung gemacht hat.

Mir ist eine liebe Erinnerung an Waggerl geblieben, nämlich an eine Geburtstagsfeier, die der Verleger Wolfgang Schaffler in seinem Haus in der Sinnhubstraße hinter dem Rainberg um den 8. Dezember 1971 ihm, Waggerl, zu Ehren, der am 10. Dezember 1897 geboren ist, und mir zu Ehren, der ich am 5. Dezember 1938 geboren bin, gegeben hat. Waggerl hat mir nicht nur ein Buch gewidmet ("Für Alois Brandstetter zur Erinnerung an einen vergnügten Abend" hat er freundlicherweise in "Ein Mensch wie ich" hineingeschrieben!), sondern auch eine Eintrittskarte für das Adventsingen im Festspielhaus geschenkt, wo ich dann auch, neben Frau Gretl Lanz sitzend, gewesen bin.

Im Hause Lanz in der Steingasse habe ich ihn dann auch besuchen und für einen Aufsatz im "Salzburger Jahr" interviewen dürfen. Dort hat er auch seinen Rückzug aus dem Adventsingen angekündigt und wortwörtlich mit seiner tiefen Stimme zu mir gesagt: "Nächstes Jahr, Brandstetter, lesen Sie!" Gleich morgen wolle er mit dem Tobi Reiser darüber reden. Daraus ist natürlich nichts geworden, nicht nur deshalb, weil Waggerl ja schon sehr vergeßlich, ja schon leicht verwirrt war. Dafür hatte er schon im Gespräch, das wir über Knut Hamsun und die Nähe seines, Waggerls, Romans "Brot" zu "Segen der Erde" von Knut Hamsun geführt hatten, einen "Beweis" geliefert, als er sagte, er wisse nicht, ob Hamsun noch lebe...

Waggerl war, um den Ehrentitel Pesendorfers für Reidinger zu zitieren, Salzburgs "Sänger der Weihnacht", freilich ein widersprüchlicher. Denn im Gegensatz zu den Klerikern Mohr oder Reidinger war der Dichter des "Jahr des Herrn", wie er wiederholt betont hat, ja Atheist und so gesehen ein widersprüchlicher Verkünder einer frohen Botschaft...Im Hinblick auf die Stadt Salzburg war er, der Gasteiner, eigentlich auch ein Zugereister. Er reiht sich als solcher in eine Reihe ein, die, wie Clemens M. Hutter in "Salzburg ein Glücksfall" schreibt: "Mit Ausnahme von Wolfgang Amadeus Mozart, Christian Doppler, dem "Stille Nacht" und der Story für den "Sound of Music" machten konstant Ausländer Salzburg zu dem, was es heute ist - den lieben Gott eingeschlossen. Man erinnert sich auch an das bissige Wort des Karl Kraus: "Hätten die Salzburger Salzburg gebaut, wäre bestenfalls ein Linz daraus geworden."

Das eigentlich Wesentliche an Weihnachten

Keiner soll sich anmaßen, über den Glauben und die Frömmigkeit seiner Mitmenschen apodiktische Urteile zu fällen. Deren Glauben niemand so kennt wie Du... Daß die Weihnachtseuphorie und die Adventveranstaltungen in Salzburg und Linz aber nicht unbedingt Ausdruck einer tiefen Religiosität sind, wird man wohl ungestraft sagen können. Das eigentlich Wesentliche an Weihnachten ist vielen nicht mehr vertraut, so wie sicher nicht alle Linzer wissen werden, was das theologische Programm des gewaltigen "Maria Empfängnis-Domes" meint. Eigentlich ist er ja auch eine Art Weihnachtskirche, freilich keine "Stille Nacht-Kapelle" ... Sein Hochfest ist der nun wieder zum Einkaufstag gewordene 8., nicht der 25. Dezember...

Schließen möchte ich in diesem Sinne mit einer kleinen Belehrung, indem ich etwas Theologisches mitteile oder den Theologen in Erinnerung rufe, auf das ich selbst gerade bei meinen Vorarbeiten über einen Roman über meinen Namenspatron Aloysius von Gonzaga gestoßen bin, und das ich im Buch "Einführung in das Christentum" von Joseph Ratzinger ( Papst Benedikt XVI) erklärt bekommen habe. Aloysius, "Luigi", schreibt in einem seiner letzten Briefe 1590 an seine geliebte Mutter Marta Tana di Santena, die mit ihren sieben Kindern übergroßes Leid erfahren hat (Attentate, Pest etc.). Und er tröstet sie mit dem Hinweis auf Maria, der sie hierin gleiche, die um ihres Sohnes willen, angefangen im Stall von Bethlehem, viel erdulden habe müssen. In einem Punkte habe sie, seine Mutter, der Gottesmutter, der Mater dolorosa, sogar etwas voraus, weil sie siebenmal unter Schmerzen geboren hat, während Maria durch ein "privilegium" eine Geburt ohne Wehen geschenkt worden sei.

Alois Brandstetter

Vor 25 Jahren bekannt geworden:

Das Autograph „Stille Nacht! Heilige Nacht!“ von Joseph Mohr

Gerhard Walterskirchen

Salzburg Museum, Bibliothek, Inv.-Nr. 1814/97

Am 8. Dezember 1995 wurde am Salzburger Museum Carolino Augusteum (heute Salzburg Museum) eine bis zu diesem Zeitpunkt unbekannte autographe Fassung von Stille Nacht für zwei Singstimmen und Gitarrenbegleitung präsentiert. Dieses Autograph ist von mehrfacher Bedeutung: Es stammt von der Hand Joseph Mohrs, entstand um 1820, repräsentiert die früheste authentische Uberlieferung von Stille Nacht in der Besetzung der Uraufführung, nennt die Autoren, liefert ungewöhnlich detaillierte dynamische Angaben für die Aufführung und weist für die Entstehung der sechs Strophen des Gedichtes Mariapfarr im Jahr 1816 aus, wo Mohr zu dieser Zeit als Coadjutor [Hilfsgeistlicher] wirkte. Ob Mohrs Autograph mit den Varianten der Takte 5 und 7 die ursprüngliche, von Grubers Fassungen abweichende Melodieform darstellt, bleibt unklar.

Veröffentlicht in der Ausgabe 54 der Blätter der Stille Nacht Gesellschaft Download

Übertragung des Mohr-Autographs (c) Stille Nacht Gesellschaft

Vor 205 Jahren:

Joseph Mohr zum Priester geweiht

Michael Neureiter

Trotz seines jugendlichen Alters von nicht ganz 23 Jahren wurde am 21. August 1815 Joseph Mohr im Virgil-Oratorium des Salzburger Doms mit neun anderen Weihekandidaten zum Priester geweiht. Am 11. Dezember 1792 geboren, hatte er das damals vorgeschriebene Alter von 25 Jahren noch längst nicht erreicht und brauchte eine Dispens. Die Weihe erfolgte durch den Passauer Weihbischof Karl Kajetan von Gaisruck - der erzbischöfliche Stuhl war in der "bischoflosen Zeit" bis 1823 verwaist.

Nach dem Besuch des Gymnasiums in Salzburg (ab 1799) besuchte Mohr von 1808 bis 1810 das Lyzeum in Kremsmünster und verdiente sich einen Teil seines Unterhalts als Sänger und Instrumentalist der Salzburger Universität, der Erzabtei St. Peter bzw. der Stiftsmusik Kremsmünster. 1811 trat er in das Salzburger Priesterseminar ein. Seine theologischen Studien schloss er im August 1814 ab. Die Beurteilung ergab das Bild eines überdurchschnittlich begabten und überaus fleißigen Absolventen mit vorzüglichem Betragen - ein Studium in Rekordzeit.

Am Tag nach der Priesterweihe informierte das erzbischöfliche Konsistorium das Pfarramt Mariapfarr, dass Mohr dort seinen ersten Dienst als Koadjutor, als Hilfspriester, antreten werde. Ein Aufenthalt in Ramsau bei Berchtesgaden führte zu einer kurzfristigen vorläufigen Verpflichtung dorthin und kurz darauf noch 1815 zum Dienstantritt in Mariapfarr, wo er 1816 den Text zu "Stille Nacht!" schrieb. Ab 1817 war er in Oberndorf tätig, wo am Heiligen Abend 1818 das Lied "Stille Nacht" erstmals erklang, das am Nachmittag Franz Xaver Gruber zu Mohrs Gedicht komponiert hatte.

Die "bischoflose Zeit" war von einem erschütterten Kirchenbild geprägt, das natürlich auch Auswirkungen auf das Selbstverständnis der Geistlichkeit hatte, stellte Hans Spatzenegger fest.

Die Jahre der Priesterweihe und der ersten Seelsorgerjahre Joseph Mohrs waren auch Jahre globaler Klimaveränderungen: Im April 1815 brach in Indonesien auf der Insel Sumbawa der Vulkan Tambora aus und führte zu enormen Opferzahlen und Auswirkungen auch auf das europäische und nordamerikanische Wetter - 1816 wurde zum "Jahr ohne Sommer". Tambora führte zur schlimmsten Hungersnot des 19. Jahrhunderts!

Das Tambora-Ereignis wirkte sich wohl auch im Salzburger Land aus, das gerade kritische Zeiten von den Napoleonischen Kriegen bis zu den Folgen des Wiener Kongresses hinter sich hatte? Zahlreiche europäische Staaten erlebten nach Tambora Ernteausfälle, Hungersnöte und Wirtschaftskrisen, in der Schweiz musste der Notstand ausgerufen werden.

Veröffentlicht in der Ausgabe 54 der Blätter der Stille Nacht Gesellschaft Download

Das Bronze-Relief Franz Xaver Grubers und Joseph Mohrs (vorne) von Joseph Mühlbacher vor der Stadtpfarrkirche von Oberndorf: Die Züge Joseph Mohrs sind dem 1910 in Wagrain exhumierten Schädel Mohrs nachempfunden (c) Stille Nacht Gesellschaft / Helmut Guggenberger

Eine Karte Joseph Mohrs an einen Freund am Tag der Priesterweihe:

Wenn einst der Kirche heil`ges Band
Auf ewig dich umschließt
Dann denke, dass im fernen Land
Ein Freund dich noch vermißt
welcher heißt Joseph Mohr
(Stille Nacht Archiv Hallein)

„Die Anbetung der Hirten“

Andreas Nesselthalers Hochaltarbild der Stadtpfarrkirche Hallein 1799 aus der Sicht einer Kunsthistorikerin und eines Theologen

Ein Nachtbild des letzten Hofmalers...

(Regina Kaltenbrunner)

Andreas Nesselthaler, letzter fürsterzbischöflicher Hofmaler Salzburgs, wurde 1748 in Langenisarhofen (bei Deggendorf, Niederbayern) geboren und starb 1821 in Salzburg.

Dazwischen liegt eine beeindruckende Künstlerkarriere. Als 16jähriger kam er zu einem Onkel nach Baden bei Wien, um das Malen zu erlernen. Aber er durfte dort nur vergolden. 1772 konnte er an die Akademie in Wien wechseln und wurde Schüler von Franz Anton Maulbertsch, wo er weitere sieben Jahre lernte.

Doch die Kunst stand an einer Wende (vom Barock zum Klassizismus), und dies spürte Nesselthaler ganz besonders, wenn er Arbeiten von zurückkehrenden Romstipendiaten sah. So begab auch er sich nach Italien und blieb 10 Jahre in Rom und Neapel. 1789 konnte er zwischen zwei Berufsangeboten wählen: Er hatte eine Einladung an den Zarenhof nach St. Petersburg und einen Ruf an den Hof von Salzburg – und er entschied sich für die Stelle bei Fürsterzbischof Hieronymus Graf Colloredo in Salzburg. Graf Friedrich von Spaur schilderte den Salzburger Hofmaler: „... von seiner Kunst gar nicht aufgebläht, sondern einfach und überhaupt ein sehr richtig, helle und liebevoll denkender, auch sittlich gut handelnder Mann, der von allem Eigennutz entfernt, wie ein Weiser, äußerst wenig Bedürfnisse hat und bloß dem Studium seiner Kunst lebte.“ Nesselthaler blieb unverheiratet und kinderlos.

Er war im ausgehenden 18. Jahrhundert der einzige in Salzburg tätige Landschaftsmaler, ja zeitweise sogar der einzige ansässige Maler, er war Spezialist in der wieder beliebt gewordenen antiken Maltechnik der Enkaustik (Wachsmalerei), und er malte sehr geschätzte Durchscheinbilder – das waren Mond- und Vulkanlandschaften auf einem transparenten Trägermaterial, die von hinten beleuchtet wurden.

1799, also 10 Jahre nach seiner Ankunft in Salzburg, schuf Nesselthaler das Hochaltarbild für die Halleiner Stadtpfarrkirche. Die Anbetung der Hirten ist ein Nachtbild, d.h. die Szene spielt in einem nächtlichen Dunkel, was auch Einfluss auf das gedämpfte Kolorit hat. Das Bild (349 x 185 cm) ist ein schmales Hochformat, und darauf hat natürlich die Komposition Rücksicht zu nehmen. Die hl. Familie nimmt die linke Bildhälfte ein, die herbeigekommenen Hirten drängen sich in der rechten Bildhälfte. Über der Gruppe schweben Engel, und am Boden liegt ein Schaf mit gebundenen Füßen. Maria kniet an der Krippe und hält mit beiden Händen ein weißes Tuch, auf dem das Christkind liegt. Josef steht hinter Maria und hat die Arme ausgebreitet – eine Geste, die sowohl schützend wirkt wie auch Bewunderung für das Kind ausdrückt. Eben diese Geste wiederholt sich beim knienden Hirten, bei dem man das Gefühl hat, als würde er das Strahlen, das vom Christkind ausgeht, umfangen. Auch die anderen Hirten sind vom christlichen Licht erfüllt und stehen in stiller Bewunderung oder eben Anbetung um das Kind. Rechts hinten gibt es einen kleinen Ausblick in den nächtlichen Wolkenhimmel. Die Engelgruppe über der Szene besteht aus einem großen schlanken Engel mit weitausgebreiteten Armen, der gleichsam alle Beteiligten umfasst, und zwei kleinen Putti, die mit ihren roten und blauen Lendentüchern einen fröhlichen Farbkontrast ins Bild bringen. Diese drei erscheinen wie auf einem Wolkenband.

Die Anbetung der Hirten von Nesselthaler spielt wohl in einem Innenraum, aber es gibt mit Ausnahme des Strohs in der Krippe und dem Eselskopf keine Hinweise auf einen Stall. Alle Figuren sind von einer Ruhe ausstrahlenden Eleganz. Die gesamte Atmosphäre ist geprägt von Stille, Ergriffenheit und Innehalten. Nicht einmal das Gloria erschallt. Obwohl das Leben Christi erst beginnt, weist das Lamm im Bildvordergrund bereits auf den Opfertod Christi hin.

...und der Übergang vom Hören zum Sehen: „ ... et videamus!“

(Hans Schreilechner)

Nicht die Geburt Christi, sondern der Besuch und die Anbetung der Hirten sind das Thema des Hochaltarbilds der Halleiner Stadtpfarrkirche.

Andreas Nesselthaler hat dieses Thema nicht erfunden, sondern greift zurück auf italienische Vorbilder aus dem Spätmittelalter: Die Armen bringen ihre Geschenke dem neu geborenen König der Armen. Franz von Assisi war dafür ein mächtiger Impulsgeber!

Im heimlichen Gegenspiel zur Pracht der „Drei Könige“ bringen die Hirten, und zwar als Erste, die einfachen Geschenke der Armen: Flöte und Stab, Lamm und Früchte. Christus gehört zum Milieu der Hirten. Er ist der arme König!

Die Menschen, die sich um ihn versammeln, kommen aus dem Dunkel: Sie gehen zu auf ein Kind, dessen Licht ihnen entgegenkommt. Ausstrahlend zieht es sie an. Nicht, dass es die Nacht zum Tag macht! Nur die Gesichter der Menschen leuchten auf wie Planeten, die im Dunkel des Weltalls von der Sonne erreicht werden. Die Sonne aber liegt auf Stroh im Futtertrog und ist ein Neugeborenes. Die Planeten sind nichts als die Gesichter einfacher Leute.

Von den Erwachsenen umhegt, schlafend, untätig und unmündig, strahlt das Kind und erleuchtet die, die es sehen und bestaunen. Die Zuneigung dieser Menschen, aller zusammen und jedes Einzelnen für sich, wird eins mit dem Licht dieses Kindes, das die Menschen an sich zieht: So ereignet sich Begegnung mit dem Erlöser! Größeres kann zu Weihnachten nicht geschehen als der hier in Zeitlosigkeit festgehaltene Augenblick!

Dr. Regina Kaltenbrunner ist Kunsthistorikerin und Direktorin des Barockmuseums Salzburg.

Mag. Hans Schreilechner ist Theologe, römisch-katholischer Stadtpfarrer von Hallein und Dechant des Dekanats Hallein (Tennengau)



Veröffentlicht in der Ausgabe 49 der Blätter der Stille Nacht Gesellschaft Download


Andreas Nesselthalers Hochaltarbild der Stadtpfarrkirche Hallein (c) R.Weidl/Verlag St. Peter

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